Griechische Akzentregeln Referenzen: BR § 8-11
Die Betonungen vom Griechischen sind durch drei verschiedene Akzente auf Vokalen bzw. Diphthongen bezeichnet:
Akut: ά, έ, ή, ί, ό, ύ, ώ, αί, εί, οί
Gravis: ὰ, ὲ, ὴ, ὶ, ὸ, ὺ, ὼ
Zirkumflex: ᾶ, ῆ, ῶ, αῖ, εῖ, οῖ usw.
Der Akut steht sowohl auf kurzen als auch langen Vokalen bzw. Diphthongen.
Und er darf auf allen drei tonfähigen Silben stehen, und zwar:
Auf der drittletzten Silbe, nur wenn der Vokal der Endsilbe kurz ist;
φιλόσοφος ἄνθρωπος ἄδικος ἔπειτα ἱμάτιον κίνδυνος
Auslautende Diphthonge -αι und -οι gelten meistens kurz, während die übrigen Diphthonge i. d. R. als lang gelten;
ἄνθρωποι βούλομαι γίγνομαι πείθομαι θάλατται δίκαιοι
Auf der zweitletzten, nämlich vorletzten Silbe, zumal die Endsilbe lang gilt;
αἰτία ἀνδρεία ἐναντίος ἡμέρα γιγνώσκω θυγάτηρ Σωκράτης
Auf der (aller-)letzten Silbe:
θεός ἀνήρ ὁδός ἀγαθός ἀεί ἀλλά εἰπών ἐλθών
Der Gravis steht nur am Wortende bzw. auf der Endsilbe eines Wortes. Er tritt nämlich im Satzinnen für den Akut ein. Am Satzende bzw. vor der Interpunktion tritt regelmäßig Akut ein, solange das Wort endbetont ist.
Μέλητος ἔλεγε τὸν Σωκράτην τὸν θεὸν οὐ νομίζειν, ὃν ἡ πόλις ἐνόμιζε.
Μέλητος ἔλεγε τὸν Σωκράτην οὐ νομίζειν ὃν ἡ πόλις ἐνόμιζε θεόν.
Der Zirkumflex steht nur auf langen Vokalen bzw. Diphthongen, die als lang gelten. Und er darf nur entweder auf der allerletzten oder zweitletzten Silbe stehen.
δῆμος δοῦλος ὀρθῶς Ἀθῆναι σῖτος πρῶτον ἡμεῖς
Atona: Es gibt aber nur wenige, und zwar insgesamt zehn Wörter, die gar keine Akzente besitzen[1];
Die bestimmten Artikel: ὁ, ἡ, οἱ, αἱ
Die Präpositionen: ἐν, εἰς, ἐκ (ἐξ)
Die Konjunktionen: εἰ, ὡς
Die Negation: οὐ (οὐκ, οὐχ)
Sollte aber die Negation direkt vor einer Interpunktion stehen, dann erhält sie einen Akut:
πῶς γὰρ οὔ; ἔστιν δ’ οὔ.
Enklise: Es gibt manche Wörter, die mit vorhergehendem Wort so eng verbunden sind, dass sie entweder den eigenen Akzent ganz verlieren, oder ihn dem vorhergehenden Stützwort abgeben bzw. leihen[2].
Personalpronomen folgender Formen: μου, μοι, με, σου, σοι, σε, οὑ, οἱ, ἑ
Indefinitpronomen: τις, τι (aller Kasus)
Indefinite Adverbien: που, ποι, ποθεν, πως, πω, πῃ, ποτε
Verben: εἰμί, φημί, aber nur Ind. Präs. Akt. außer 2P. Sg. (εἶ, φής bzw. φῄς)
Partikeln: γε, τε, τοι, νυν (≠ νῦν), νυ, ῥα, θην, περ, πω, κε, κεν
Aber die entsprechenden Interrogativpronomina bzw. Fragewörter sind stets betont:
τίς, τί, ποῦ, ποῖ, πόθεν, πῶς, πῶ, πῇ, πότε
Die Enklitika selbst sind entweder ein- oder zweisilbig.
Aber manche Kleinwörter, die die Enklitika enthalten, sind häufig mehrsilbig und besitzt eigenen Akzent:
οὔτε, μήτε, ἅτε, εἴτε, ὥσπερ, εἴπερ, ὅστις, ἥτις, ὅ τι, ὅτι, ἔγωγε, ἔμοιγε usw.
Ähnliches sieht man bei (Lokal-)Suffix: -δε, -ζε:
ὅδε, ἥδε, τόδε, τοσόσδε, τοσήδε, τοσόνδε, οἴκαδε, Ὀλυμπόνδε, Ἀθήναζε
Die Enklise wird unterschiedlich ausgeführt nach der Akzentuierung vom Stützwort:
1.) Akut bzw. Gravis auf der letzten Silbe (Oxytoton):
Der Gravis auf der Endsilbe wird Akut, indem das enklitische Wort dem vorhergehenden Wort den Akzent abgibt.
σοφός τις ἀληθές γε καλός ἐστι
2.) Akut auf der vorletzten Silbe (Paroxytoton):
Wenn das enklitische Wort einsilbig ist, verliert es bloß seinen Akzent.
λόγος τις φίλος τε ἄλλως πως
Wenn das enklitische Wort zweisilbig ist, behält es den Akzent auf seiner Endsilbe.
λόγοι τινές ἄλλος ποτέ ἄλλων τινῶν
3.) Akut auf der drittletzten Silbe (Proparoxytoton):
Das Stützwort erhält noch einen Akut auf der Endsilbe, wodurch es zwei Akute enthält.
ἄνθρωπός τις ἄνθρωποί τινες ἀθάνατοί εἰσιν
4.) Zirkumflex auf der letzten Silbe (Perispomenon):
σοφῶν τις σοφῶν τινες φῶς ἐστι
Das enklitische Wort verliert bloß seinen Akzent.
5.) Zirkumflex auf der vorletzten Silbe (Properispomenon):
δοῦλός τις δοῦλοί τινες
Das Stützwort erhält noch einen Akut auf der Endsilbe, wodurch es einen Zirkumflex mit einem Akut enthält[3].
Die Enklitika behalten ihren Akzent auch in folgenden Fällen:
Wenn die Silbe, auf die der Akzent fallen sollte, elidiert worden ist;
σοφός δέ ἐστιν ὁ ἀνήρ > σοφὸς δ’ ἐστὶν ὁ ἀνήρ
Wenn das Enklitikon zur Betonung[4] am Satzanfang steht;
φημί τοίνυν ποτὲ μέν, αὖθις δέ
Wenn der Ind. Präs. Akt. v. εἰμί, nämlich ἐστι betont (ἔστι) direkt vor dem Subjekt steht oder direkt nach ὡς, οὐκ, εἰ, καί, und elidiert ἀλλ’, τοῦτ’ steht;
ἔστι θεός ὡς ἔστι οὐκ ἔστι εἰ ἔστι καὶ ἔστι
ἀλλ’ ἔστι τοῦτ’ ἔστι
[1] Es heißt auch Proklise (lat. procliticae). Vgl. Kühner-Blass 1, 336 f.
[2] Über die enklitischen Wörter bzw. Encliticae bzw. Kühner-Blass 1, 337-349. Die Enklise erscheint auch im Lateinischen bei Suffix -que, -ve, -cum (bei Pronomina).
[3] Ausnahmeregeln gelten auf ξ und ψ. Vgl. Vgl. Kühner-Blass 1, 342, A4.
[4] Diese Betonungsart heißt „Orthotonierung“ (gr. ὀρθοτονούμεναι). Vgl. Kühner-Blass 1, 344-349.